Rezension ist nicht gleich Rezension – Protokoll einer Deutschstunde

Ich habe ja schon einmal geschrieben, dass eine Rezension von mir hier Lernstoff in der Schule geworden ist. Hier ist er nun, der Artikel, in dem die Deutschstunde, die Arbeitsaufgabe, das Ergebnis und die pädagogischen Vorüberlegungen geschildert werden. Vielen Dank für die Mühe, Christof!

Im Rahmen des Themenkorridors „Das Problem literarischer Wertung“ sollte die dreizehnte Klasse in dieser Stunde die Unterschiede verschiedener literaturkritischer Textsorten herausarbeiten. Dazu bekamen die Schüler den Auftrag, zwei Rezensionen zum Kluftinger-Krimi „Laienspiel“ von V. Klüpfel und M. Kobr zu vergleichen, nämlich einen Blog-Eintrag von literaturjunkie und einen Text aus der „Berliner Literaturkritik“ aus der Feder von Susanna Gilbert-Sättle. (Die blk erschien damals noch in gedruckter Form, hat aber alle Besprechungen online.) Die Texte wurden ausgewählt, erstens weil nach guter Pädagogensitte die leichte Verfügbarkeit von Texten Vorrang vor didaktischen Entscheidungen hat. Soll heißen: Bevor ich stundenlang weitersuche, um noch geeignetere Texte zu finden, nehme ich die schnell gefundenen guten und habe so eine Chance, bei mehr als einer Stunde zu wissen, was ich morgen unterrichte. Zweitens ist das Internet voll mit richtig schlechten Kritiken, deren Aussagekraft nicht über die eines Klicks auf den Gefällt-mir-Button hinausgehen, da deren die Verfasser/in entweder gar nicht in Erwägung zieht, dass man über Literatur mehr als nur bloße Geschmacksurteile fällen kann, oder die Rezension mit derart viel Tiefsinn auflädt, dass das besprochene Werk komplett im Hintergrund verschwindet. (Schlimm ist dann, wenn der vermeintlicher Tiefsinn sich als schöngeistiges Gefasel herausstellt, aber das ist eine andere Baustelle.) Der dritte Grund ist, dass ich literaturjunkie persönlich kenne und so weniger Hemmungen habe, einfach mal anzufragen, ob ich den Text benutzen darf. Viertens und letztens sollten es schon zwei Kritiken zum selben Buch sein, und da waren gar nicht so viele zu finden (unter Berücksichtigung von erstens bis drittens jedenfalls).

Die passenden Texte waren ausgesucht, der Aufbau der Stunde war damit ein Selbstgänger. Die beiden Rezensionen wurden den Schülern ohne Quellenangabe und in einheitlichem Layout vorgelegt, wobei jedoch die Verfasserinnen genannt wurden. Erste Aufgabe: Die Buchbesprechungen lesen und die ihnen zugrunde liegenden Bewertungskriterien herausarbeiten. Es kam heraus, dass gewisse Kriterien für  beiden Rezensentinnen wichtig sind (Humor, Charakterbildung, Anspruch und Spannung), dass literaturjunkie dazu noch Wert auf Rätsel und Denkanstöße (beim Krimi) legt und sich nicht zu schade ist, eine Wertung auch auf der Basis eigener Vorlieben durchzuführen („Ich mag Krimis.“); bei der Presserezension wurden als weitere Merkmale literarische Bezüge sowie Komplexität genannt. Diese Vokabeln waren in vorangegangenen Stunden erarbeitet und die beiden Rezensentinnen mögen mir verzeihen, wenn sie sich damit nicht ganz treffend charakterisiert sehen. Zum Leidwesen der Schüler wurde alles tabellarisch an der Tafel gesammelt.

Im zweiten Teil sollten aus den beiden Tabellenspalten mit den Bewertungskriterien die Unterschiede der Texte treffend beschrieben werden. Diese Unterschiede waren mit weiteren Textmerkmalen zu belegen, die nicht der Kategorie Bewertungskriterium zuzuordnen waren. Damit meint der Deutschlehrer hier vor allem den Stil. (Das wollte er aber so nicht sagen, weil sonst der gymnasiale Anspruch flöten gegangen wäre.) Das Ergebnis war (neben der großen Gemeinsamkeit, nämlich der Erwartung an einen guten Roman, dass Anspruch und Unterhaltungswert gleichermaßen zu bedienen sind), dass die Kriterien, die literaturjunkie anwendet, in der Tendenz subjektiver sind. Und auch stilistisch bekommt man mehr von der Verfasserin mit, als dies bei der eher sachlich-analytisch gehaltenen Presserezension der Fall ist. Dazu passt, dass die Berliner Literaturkritik den Klufti-Krimi ziemlich direkt nach dem Erscheinen besprochen hat, während literaturjunkie den Roman Jahre später darüber geschrieben hat, ähnlich wie ein Tagebuch, sagen wir mal Logbuch, der persönlichen Leseerfahrungen. Somit war die Auflösung, woher die ich die Kritiken genommen habe, keine Überraschung. Der Begriff Blog war den Schülern selbstverständlich ein Begriff und nun haben sie auch gelernt, warum das so heißt.

Fazit im Pädagogendeutsch: Die Schülerinnen und Schüler haben allein aus dem Vergleich der Bewertungskriterien Unterschiede zwischen den journalistischen Textformen Literaturblog und Presserezension  herausgearbeitet und an stilistischen und strukturellen Merkmalen bestätigt. Ziemlich genau das, worauf ich hinauswollte. Gute Texte, gute Klasse.

Ich freue mich wirklich sehr über den Artikel! Noch einmal vielen, vielen Dank, Christof! Und nein, ich finde mich – und meinen Stil – durchaus ganz treffend charakterisiert …

So, dann ist erst einmal alles gesagt. Bis zur nächsten Woche!

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